Februar 2022

Die Demokratie schafft sich selber ab

Sa., 29.1 20 Uhr

Maschinen übernehmen die (staatliche) Kontrolle

Im Zuge der „Smartifizierung der Welt“ entpuppt sich die Demokratie als das, was sie schon immer war: Ein Apparat zur Aufrechterhaltung staatlicher Kontrolle, hübsch gekleidet in einen Mantel von Scheinfreiheit.

In einem gar nicht mehr so aktuellen staatlichen Papier (Stand Mai 2017, siehe Rückseite) wird die „Vision eines hypervernetzten Planeten“ entworfen. Maschinen sollen künftig unsere Alltagsentscheidungen übernehmen („post-choice society“), denn laut dieser „Vision“ kennen sie uns bald besser, als wir uns selbst. Folglich wissen sie dann auch, ob und ggf. welche politische Partei wir wählen würden. Die Wahlentscheidung wird damit überflüssig („post-voting society“), und wird vielleicht (Stichwort „Smart Home“) von unserem Kühlschrank übernommen, der sie aus unseren Essgewohnheiten ableitet (Schweinebraten = CSU, Tofuschnitzel = Die Grünen, Fritz Cola = Nichtwähler*in, usw.). Das geht dann weiter an den Küchentisch, und dann, von Funkmast zu Funkmast, schließlich an den Staat. China lässt grüßen!

So heißt es im Papier wörtlich: „Wir müssen uns [dann] nie [wieder] entscheiden, einen bestimmten Bus oder Zug zu nehmen, sondern bekommen [einfach] den schnellsten Weg von A nach B. Wir werden auch nie unsere Schlüssel, Geldbeutel oder Uhren vergessen.“ (S. 43)

Wer könnte da schon etwas dagegen haben? Der Totalitarismus kommt als Freund!

Und weiter: „Da wir [also die staatlichen Behörden] genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehrheitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltensbezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“

Das klingt für mich wie ein Eingständnis an das Gefühl vieler Menschen, dass ihre Wahl-„Entscheidungen“ ihr Leben um keinen Deut besser gemacht haben. Also lassen wir’s doch gleich! Und das Allerbeste: Das Ganze kostet selbstverständlich keinerlei Ressourcen („post-energy society“):

Um ubiquitär genutzt zu werden, müssen Sensoren energieeffizient und energieautark sein. Wenn eine Datenrevolution stattfinden soll, muss Energy Harvesting – die Fähigkeit, Energie auf Makro-, Mikro- oder Nanoskala zu generieren und zu speichern – Alltag werden.“

Das versteht keine Sau, klingt aber irgendwie hip und mega, und für die Deppen unter uns gibt’s auch eine Kurzformel: „Neue Geräte und Maschinen generieren ihre eigene Energie.“ Klar! Wenn alle ihre eigenen Extremitäten essen würden, gäbe es auch sofort keinen Hunger mehr in der Welt.

Da hätte man aber auch früher draufkommen können! Achso, ist man ja schon. Damals hieß es „perpetuum mobile“, aber irgendwelche Spielverderber haben es in der Versenkung verschwinden lassen. Ich persönlich finde, das sollte auch mit dieser digitalen Neuauflage passieren. Denn es ist schon erstaunlich, dass, was so happy und clean daherkommt, wie dieses Projekt, schon nach Ideologie stinkt, bevor es in der Jauche versinkt, wo es eigentlich hingehört. Aber jetzt viel Spaß mit dem Orignallaut!

Das Bauinstitut für Bau-Stadt und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR), mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), präsentiert die Smart City Charta, als Teil der Visionen eines hypervernetzten Planeten:

Wie könnte ein […] hypervernetzter Planet […] aussehen? Wir können einige Visionen oder Disruptionen beschreiben, die das Internet of NO things [sic!] mit sich bringen kann:

1. Super resource-efficient society

Eine Gesellschaft, in der kein Gebäude leer steht, sondern die ganze Zeit optimal genutzt wird. Auch fahren keine Autos mehr leer. Neue Geräte und Maschinen generieren ihre eigene Energie. Für diejenigen, die an Energy Harvesting Sensoren arbeiten, erscheint die Diskussion über zentralisierte, große Kraftwerke sinnlos.

2. Post-choice society

Künstliche Intelligenz ersetzt Wahl: Wir müssen uns nie entscheiden, einen bestimmten Bus oder Zug zu nehmen, sondern bekommen den schnellsten Weg von A nach B. Wir werden auch nie unsere Schlüssel, Geldbeutel oder Uhren vergessen.

3. Post-ownership society

Dank der Information über verfügbare geteilte Waren und Ressourcen macht es weniger Sinn, etwas zu besitzen: Vielleicht wird Privateigentum in der Tat ein Luxus. Daten könnten Geld als Währung ergänzen oder ersetzen.

4. Post-market society

Im Grunde genommen sind Märkte Informations-systeme, die Ressourcen zuteilen. Als Informati-onssystem funktioniert ein Markt jedoch sehr ein-fach. Er übermittelt nur, dass eine Person dies oder das gekauft hat; wir wissen aber nicht warum. Künftig können Sensoren uns bessere Daten als Märkte liefern.

5. Post-energy society

Um ubiquitär genutzt zu werden, müssen Sensoren energieeffizient und energieautark sein. Wenn eine Datenrevolution stattfinden soll, muss Energy Harvesting – die Fähigkeit, Energie auf Makro-, Mikro- oder Nanoskala zu generieren und zu speichern – Alltag werden.

6. Post-voting society

Da wir genau wissen, was Leute tun und möchten, gibt es weniger Bedarf an Wahlen, Mehr-heitsfindungen oder Abstimmungen. Verhaltens-bezogene Daten können Demokratie als das gesellschaftliche Feedbacksystem ersetzen.“ (https://www.smart-city-dialog.de/wp-content/uploads/2019/12/smart-city-charta-langfassung.pdf S. 43)

Doku: Kanehsatake: 270 Jahre Widerstand
Do., 03.02. 20 Uhr


Im Jahr 1990 plant die Stadt Oka die Erweiterung eines Golfplatzes auf das Land der Mohawks. Diese besetzen daraufhin die Straße, die zum Waldstück führen, das für den Golfplatz gerodet werden soll, ein Bulle stirbt bei einem Schusswechsel. Eine 77 Tage andauernde Besetzung folgt,
umzingelt vom kanadischen Militär. Nach 77 Tagen ergeben sich die Besetzer, der Golfplatz wird nie erweitert. Diese Besetzung war einer der ersten bewaffneten und gewalttätigen Widerstandshandlungen in den letzten Jahrzehnten gewesen und markierte einen Wendepunkt in indigenen Kämpfen gegen die kanadische Besatzung.

Die Doku dauert knapp zwei Stunden und ist auf Englisch mit englischen Untertiteln.

Presentation of anarchist Claudio Lavazza’s authobiograhy “My pestiferous life”

Di., 8.2. 20 Uhr

Presentation of anarchist Claudio Lavazza’s authobiograhy “My pestiferous life” (Compass editions, 2019) followed by updates about his current situation and the context of the international mobilization for his immediate release. Claudio Lavazza is an italian anarchist who participated in the armed struggle in Italy during the 70s and 80s, then went underground in France developping an active solidarity everywhere he went. He was arrested in 1996 after an armed robbery in Spain, where he continued to struggle within the isolation regime FIES.

Diskussion: Krisen und die Publikation “RASEREI”

Do., 17.02 19.00 Uhr

Auf diese Welt und ihre Strukturen mit Verzweiflung, Zusammenbruch und Taubheit zu reagieren scheint mir nicht allzu verwunderlich. Umgeben von einem immer weiter fortschreitenden technologischen Apparat, der unserer Welt strikte Raster auferlegt und sich entscheiden der Fantasie und Emotionalität entgegenstellt und den Mut raubt sich überhaupt noch etwas Anderes zu ersehnen. Unsere Leben werden diktiert von Ausbeutung, Zwang, Kontrolle und Vereinzelung, was die Entfremdung zu uns Selbst, unseren Beziehungen, unserer Zeit und Energie kreiert. Das damit einhergehende Fremdheitsgefühl, die Desorientierung und die Wut über die herrschende Verhältnisse haben uns auch zu den Anarchist*innen werden lassen, die wir sind. Und lässt uns weiterhin mit dieser Verlorenheit im Herzen andere Kompliz*innen finden…“

Wir haben geliebte Menschen verloren, haben uns durch Krisen durchgekämpft, sind an unsere Grenzen gegangen und sind diese teils auch übertreten. Umbruchprozesse, Trauer und Krisen erfordern sehr viel Kraft, Durchhaltevermögen und spezifische Auseinandersetzungen und es kann schwerfallen in solch überwältigenden Momente klare Gedanken zu fassen. Deswegen kann es sinnvoll sein bereits in ruhigeren Momenten Diskussionen untereinander zu stärken, auf die man sich dann berufen und diese vertiefen kann. Es geht hier nicht darum eine moralische Aussage über Lebens-Entscheidungen von Menschen zu fällen, vielmehr ein Zeugnis von dem unbändigen Schmerz zu geben, der in unseren Herzen sticht und die Schwierigkeit aufzuzeigen, die mit manchen Situationen einhergehen und auch der Überforderung und Ohnmacht Platz einzuräumen, die als Reaktionen auf psychische Prozesse einhergehen kann. Diese Ausgabe versteht sich als kleiner Beitrag dazu ein Gespräch und Diskussion zu beginnen, wie wir uns unserem psychischem Leid nähern können , um die Trauer und den Schmerz in unsere Kämpfe zu integrieren und sie nicht abspalten und verdrängen zu müssen, um handlungsfähig zu bleiben.“

Anhand der neuen Publikation „RASEREI“ wollen wir über die Integration von Trauer, Schmerz und Krisen in anarchistischen Kämpfen sprechen. Um eine tiefere Auseinandersetzung zu eröffnen, müssen wir uns unweigerlich mit Fragen von Wut, patriarchalen Verhältnissen, Handlungsfähigkeit und auch Affinität befassen. Damit sich unsere Unvereinbarkeit mit dieser Welt nicht in Angst, Leere und Depression manifestiert, wollen wir Auseinandersetzungen führen, die sich der Stille entgegenstellen und versuchen Worte zu finden, für das, was uns sooft sprachlos macht.

Buchvorstellung und Diskussion: Was ist Polizei?

Do., 24.02. 19 Uhr

Das Buch “Was ist Polizei?”, das kürzlich in deutscher Übersetzung erschienen ist, wird kurz präsentiert und Auszüge daraus vorgelesen. Anschließend können wir über diese Frage, “Was ist Polizei?”, von diesem Buch ausgehend oder darüber hinaus, diskutieren.

Falls ihr vorher schon mal in das Buch hineinschauen wollt, ist es in der Bibliothek vorrätig.

Aus dem Buch:
“Kampf oder Widerstand ist eine materielle Dynamik, etwas, das geschieht, und etwas, das am Ende des Tages nur zu dem Grad, wie es effektiv ist, eine Bedeutung hat. Je länger wir daran hängen bleiben Polizei als institutionelles, lebloses und konzeptuelles Objekt zu analysieren, gegen das man argumentieren kann, werden wir darin scheitern uns bewusst in eine Konfliktdynamik, eine bewusste Verstärkung von Krisen zu begeben, und umso länger werden wir nichts anderes als Aktivisten bleiben und daran scheitern die Notwendigkeit unserer Rolle als Aufständische anzunehmen.”